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Montag, 9.8.2021

Liebes Tagebuch,

heute haben wir gemeinsam PutenRAHMgeschnetzeltes mit REIS gekocht (großgeschriebenes sind meine absoluten Angstlebensmittel). Dieses Mal war ich trotz der Sahne und des Reises etwas ruhiger, aber es war eine große CHALLENGE!!!

In der Reflexion haben wir eine geführte Entspannungsmeditation gemacht und uns auf die Atmung und das Spüren konzentriert. Das Thema danach war, WAS EIN „NEIN“ ZUR ESSSTÖRUNG BEDEUTEN WÜRDE. Mir wäre dazu eingefallen, dass es vielleicht weniger Gedankenkreisen in meinem Kopf geben würde. Dass ich meine Umwelt besser wahrnehmen könnte. Dass ich anderen Menschen besser Aufmerksamkeit schenken könnte und auf sie eingehen könnte, mehr soziale Kontakte hätte. Dass ich mehr Zeit hätte meine Interessen zu finden und diese auch auszuprobieren (basteln, Psychologie, Politik, lesen, Musik hören, usw.). 

WAS MICH HEUTE MOTIVIERT: AUFSCHREIBEN, WAS ICH AUS DEM TAG GELERNT HABE UND SCHWUNGVOLLE MUSIK HÖREN. 

Dienstag, 10.8.2021

Liebes Tagebuch,

ein erlebnis- und wie immer essensreicher Tag liegt hinter mir. 

Bei der Reflexion haben wir darüber gesprochen, dass ein NEIN zur Essstörung ein JA zum Leben ist. Ich kann das so noch nicht ganz fühlen, aber ich glaube ich verstehe, was damit gemeint ist. Für eine Kollegin bedeutet ein NEIN zur Essstörung ein JA zu sich selbst, zur Selbstfürsorge, zur Gesundheit, dazu arbeiten oder studieren zu können, zu Unternehmungen mit Mitmenschen, zu Unabhängigkeit, zu Freiheit, zu Spontanität. Das hat mich alles sehr berührt!

Loslassen ist für mich (und auch einige andere, wie ich gemerkt habe) mit vielen Ängsten verbunden: Die Essstörung gibt mir Struktur sowie Denk- und Entscheidungsroutinen. Ich habe Ehrgeiz, Zielstrebigkeit und ein Gefühl des Erfolgs. Sie lenkt mich von Trauer und anderen Problemen ab. Durch sie bekomme ich Unterstützung. 

Mittwoch, 11.8.2021

Liebes Tagebuch,

der Tag hat mit einem gemeinsamen Frühstück begonnen. Ich habe mir die Mahlzeit unter Aufsicht selbst hergerichtet, das war ein Erfolg. 

Zu Mittag haben wir einen FETA-MANGOLD-KÜRBISSTRUDEL MIT FERTIGEM BLÄTTERTEIG gemacht. Es war wirklich schmackhaft. Außerdem habe ich versucht, gemäß der Achtsamkeitsaufgabe, Neues auszuprobieren: mit der linken Hand zu frühstücken und Zähne zu putzen, andere Platzwahl im Bus und am Esstisch, neue Geschmäcker entdecken, neue Geschirrfarbe wählen, Leute in der Öffentlichkeit anlächeln, etc.

In der Reflexion haben wir besprochen, dass die einzelnen Ziele im Leben wie Treppenstufen aussehen können. Man kann nicht 4 Stufen zugleich bewältigen. Daher ist es besser eines nach dem anderen anzugehen, sonst bleibt man eher stehen, als voranzukommen. Ich war irgendwie enttäuscht, weil ich keine Ziele habe. Laut einer Mitarbeiterin haben wir aber schon eine große Stufe geschafft, indem wir uns im LeLi mit unseren Problemen auseinanderzusetzen.

Donnerstag, 12.8.2021

Liebes Tagebuch,

das Blutabnehmen lief wie am Schnürchen, vielleicht sind meine Venen ja schon besser? Die Ärztin hat gemeint, dass das Labor zusammenfassend gut sei, sodass ich bei weiterhin stabilen Werten nicht wieder stationär gehen müsse.

In der Psychotherapie habe ich gelernt NEGATIVE GLAUBENSSÄTZE (“ICH DARF NICHT ZUNEHMEN”) IN POSITIVE GLAUBENSSÄTZE (“ICH MUSS ZUNEHMEN, UM ZU LEBEN”) UMZUWANDELN. 

Bei der Reflexion haben wir festgestellt, dass jede von uns unterschiedliche (auch manchmal gemeinsame) Dinge hat, die uns Angst machen (z.B. Nudeln, Kartoffeln, Reis, Fett, etc.) und es uns nach dem Nudelessen bzgl. Gedankenkreisen nicht so gut gegangen ist.

Anschließend habe ich mich noch mit einer Kollegin vom LeLi getroffen – Mut zu Neuem!

Freitag, 13.8.2021

Liebes Tagebuch,

heute haben wir mit dem Wiegen begonnen. Aus Angst habe ich glaube ich schon recht viel getrunken davor und deswegen war das Gewicht dann angeblich nicht so aussagekräftig. 

Am Vormittag habe ich den Stein fertig bemalt und mich in einem Aquarellbild versucht. Ich bin nie zufrieden mit meinen Werken, das frustriert mich und dann starte ich irgendwie schon mit dem Gefühl in den Tag, einfach wertlos zu sein und nichts zu können.

Im Anschluss haben wir in der Reflexion besprochen, dass uns vor allem die Kohlenhydrate noch schwerfallen.

Eine Kollegin meinte zu mir, dass es ein Fortschritt wäre, dass ich nach dem Essen häufiger sage „es geht mir gut“. In Wirklichkeit geht es mir – vor allem nach Nudeln und Reis – besch…eiden. Ich will nur die anderen nicht immer nerven oder jammern. Das Gedankenkreisen nach dem Essen von Kartoffeln oder nach dem Frühstück ist aber schon weniger geworden.

Das Ungesündeste was ich tun kann ist nicht zu essen.

Samstag, 14.8.2021

Liebes Tagebuch,

den Samstag habe ich mit einem „Tagebuchschreib-Frühstücksparallel-Tippen-Schmausen“ verbracht und anschließend mit meinem Bruder, meinem Papa und meiner Schwester telefoniert. Schließlich habe ich Ofengemüse und Kartoffeln gekocht. Beim Abwiegen bin ich immer noch sehr in Gedanken und will unterbewusst (oder bewusst?) irgendwo einsparen.

Das Kochen hat sehr lange gedauert. Danach habe ich mich in den Zug gesetzt und bin zu meiner Familie gefahren. Es war schön mit ihnen dann im Garten zu sitzen und zu plaudern.

Sonntag, 15.8.2021

Liebes Tagebuch,

am Sonntag bin ich aufgestanden und habe mit meinen Großeltern gefrühstückt. Ich wollte es genießen, aber dann ist es zu Spannungen gekommen, weil meine Omi aufgrund ihrer Köchinnen- und Bauernhofvorgeschichte meint, dass Essen innerhalb von 10 Minuten aufgegessen werden soll, damit weggeräumt und gearbeitet werden kann. Das hat mich gestresst.

Anschließend habe ich meinen Papa und seine Freundin getroffen. Sie wünschen sich, dass ich bald wieder in den Alltag zurückkehre und dass ich auf mich schauen soll. Ich habe gesagt, mich würde es unterstützen, wenn ich wüsste, dass auch sie gut auf sich schauen, regelmäßig essen und es ihnen gut geht. Papa sagt, er hat eh sein Gewicht und seine Freundin habe es auch (Das sagt er immer vor ihr. Ich finde das unangenehm für sie, da sie in den vergangenen Jahren, immer wenn sie wer mit „Hallo, gut schaust aus“ begrüßt hat mit „Ich muss mich einschränken, ich habe ordentlich Gewicht angesetzt“ reagiert hat.). Papa sagt dann zu mir immer vor ihr „Du siehst, sie sieht gut aus und hat ihr Gewicht“ – da habe ich immer Angst, dass das bei ihr falsch ankommt. Letzte Woche hat er, als wir über eine ihrer Lederhosen geredet haben, die sie nicht mehr anzieht mit einem scherzhaften „Hast etwa zugenommen? Passt überhaupt noch hinein?“ geantwortet – das hat mich wütend gemacht. Schließlich haben wir uns alle wieder eingekriegt und beschlossen weniger über das Essen zu reden, das ist für mich auch entspannter.